Traurig - Szenen aus dem Alltag 2020

Kinderzimmer

Gestern erzählte mir Bekannte von ihrer 4jährigen Tochter, die sie nachmittags beim Spielen beobachtet hat.

Die Kleine hatte in ihrem Kinderzimmer mit Kreide Vierecke auf den Boden gemalt. In jedem der Vierecke saß genau eine Puppe, der sie ein Tuch vor das Gesicht gebunden hatte.

Dann nahm sie eine Puppe und tat so, als geht sie zu einer anderen Puppe.

„Stopp. Abstand halten. Bleib in deinem Quadrat. Spielen verboten. Spielen ist gefährlich.“ sagte sie streng und laut.

Der nächsten Puppe zog sie das Tuch etwas herunter.

„Maske auf. Du darfst nicht singen. Du darfst nicht reden. Davon wird man krank. Du steckst alle an.“

Damit zog sie der Puppe die Maske wieder über das Gesicht.

Dann ging sie vor den Puppen auf und ab.

„Masken auf. Abstand halten. Jeder bleibt in seinem Quadrat. Nicht singen. Nicht essen. Nicht trinken.“ wiederholte sie immer wieder.

Dann bewegte sie die nächste Puppe zu einer anderen.

„Geh weg! Du steckst mich an. Nicole, Nicole – die Hanna hat ihre Maske nicht richtig auf und fasst mich an!“ schrie sie ziemlich hysterisch.

Meine Bekannte erkannte, dass ihr Kind den Kindergartentag mit ihren Puppen nachspielte. Dicke Tränen kullerten ihre Wangen herunter. Das war der Moment, in dem sie beschloss, dass ihr Kind ab sofort nicht mehr in den Kindergarten geht.

Spielplatz

Vorgestern habe ich den sonnigen Tag genutzt, um mit meinen Hunden eine große Runde zu laufen. Auf unserem Weg ins Feld kamen wir am Spielplatz vorbei.

Bevor ich überhaupt etwas sah, hörte ich es permanent schreien.

„Maske auf!!!“

„Bleib weg!!!“

„Halt Abstand!!!“

Als ich näher kam, sah ich ein paar Kids auf dem Spielplatz. Eines hatte seine Maske fast bis über die Augen gezogen. Das war auch das, was schon die ganze Zeit schrie.

Die anderen Kids hatten zwar auch Masken. Aber die hingen irgendwo. Es war ihnen egal. Sie rannten, tobten und spielten miteinander, wie normale Kids das machen.

Das Kind mit der überperfekt sitzenden Maske saß verängstigt auf einer Bank am Rand. Wann immer eines der anderen Kinder auch nur annähernd in seine Richtung rannte, ging das Geschrei los.

„Maske auf!!!“

„Abstand halten!!!“

Es hatte offenbar wirklich panische Angst vor den anderen Kindern. Ich bekam einen Kloß in den Hals. Wie schrecklich. Das arme Kind. Schnell lief ich weiter. Was für eine traurige Welt.

Schule

Am Samstag auf der Demo in Kassel erzählte mir eine Frau von ihrem 6jährigen Sohn, der im Sommer eingeschult wurde.

Sie bekam einen Anruf von der Schule, dass es ihrem Sohn nicht so gut gehe und sie ihn abholen solle.

Der Schreck fuhr ihr in die Glieder.

„Was ist los? Was ist mit meinem Kind? Was hat er denn?“

„Ihm ist wohl schlecht. Er liegt jetzt hier. Aber er ist bei Bewusstsein.“

„Haben Sie die Maske abgezogen? Haben Sie einen Arzt angerufen?“

„Nein, so schlecht geht es ihm ja auch nicht. Und die Maske muss wegen der Ansteckungsgefahr drauf bleiben.“

„Nehmen Sie verdammt noch mal sofort diese verflixte Maske ab. Damit er wenigstens atmen kann. Ich hole ihn jetzt ab.“

Ohne noch irgendwie zu denken, raste sie zur Schule. Sie machte sich schwere Vorwürfe. Ihr Sohn hatte die letzten Tage schon über Kopfschmerzen geklagt, die er immer nach ca. einer Stunde in der Schule bekam.

Sie hatte ihm gesagt, er solle die Maske einfach runterschieben aufs Kinn. Aber er sagte, die Lehrer passen genau auf und dann gibt es sofort einen Eintrag im Klassenbuch und das Kind wird vor der ganzen Klasse ausgeschimpft.

Eigentlich wollte sie längst mit dem Lehrer gesprochen haben, aber sie hatte noch keine Zeit gefunden. Das würde sie jetzt nachholen.

An der Schule angekommen, saß ihr Sohn leichenblass alleine in einer Ecke – immerhin ohne Maske.

„Wir sprechen uns später.“ sagte sie zu dem Lehrer, schnappte sich ihren Sohn und fuhr zum Kinderarzt.

Leider wollte der das Kind nicht mal richtig untersuchen. Es geht ihm doch offenbar wieder gut. Und ein Attest, damit er keine Maske tragen müsse, könne er nicht ausstellen. Sie kann ein Rezept bekommen mit einem Mittel für Kinder gegen Übelkeit und Kopfschmerzen.

Die Frau hat ihren Sohn jetzt erst mal krank gemeldet. Und ist gerade auf der Suche nach einem Kinderarzt, der ihr helfen möchte. Deutschland 2020.

Nachbarschaft

Als ich dieser Tage mit meinen Hunden durch unser Dorf ging, stieg gerade eine ältere Dame aus ihrem Auto. Sie ist schon fast 90 Jahre, aber das glaubt man kaum. Jeden Tag ist sie mit dem Rollator unterwegs, hält überall an und unterhält sich.

Ich grüßte sie und fand, dass sie traurig aussieht.

„Ist etwas passiert?“ fragte ich sie.

„Ne, ne. Passiert ist nix. Aber ich mache mir Sorgen. Die Leute sind so unfreundlich geworden. Ich kann mit der Maske so schlecht atmen und hatte sie beim Einkaufen nicht über die Nase gezogen. Da wollte mich ein junger Mann gleich aus dem Laden werfen. Eine andere Kundin beschimpfte mich dann auch noch. Was ist nur los? Warum nimmt niemand mehr Rücksicht? Sie haben mich gar nicht zu Wort kommen lassen.“

„Oh, das tut mir leid.“ sagte ich. „Ja, es ist schwierig geworden. Wenn Sie möchten, kaufe ich für sie ein. Oder wir gehen einfach zusammen einkaufen. Dann kann ich Sie unterstützen, wenn wieder jemand unfreundlich wird.“

„Ach, ne. Ich will niemandem lästig fallen!“ sagte sie. Aber ich merkte, dass sie sich über das Angebot freute.

„Quatsch, Sie fallen mir doch nicht lästig. Ich muss ja sowieso einkaufen. Ich versuche auch, so selten wie möglich einzukaufen, aber ganz lässt es sich nicht vermeiden. Dann kann ich ja einfach kurz vorher bei Ihnen klingeln und fragen, ob sie etwas brauchen oder mit einkaufen wollen. So können wir es doch machen.“ schlug ich vor.

„Das würden Sie wirklich tun?“ fragte sie sichtlich erleichtert.

Ich nickte: „Klar, ist doch kein Thema.“

„Einen schönen Tag wünsche ich Ihnen noch.“

„Vielen Dank. Den wünsche ich Ihnen auch.“

Bist du sicher?

Bist du sicher, dass du in so einer Gesellschaft leben möchtest?

Ich bin sicher, dass ich das nicht möchte. Deshalb stehe ich auf. Du kannst das auch, wenn die Menschlichkeit wichtig ist.

Jeder kann etwas tun.

Claudia

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